Trojaburg
 
 

Pyramiden in Bosnien?

Im Herbst 2005 erregte eine Meldung weltweit Aufsehen, die so fantastisch wie unglaublich gleichermaßen klingt: Pyramiden in Bosnien. Nach Ansicht des in Texas lebenden, bosnischen Laien-Archäologen und Forschers Semir Osmanagic handelt es sich dabei aber nicht nur  um besondere Bauwerke, sondern um die größten und ältesten Pyramiden der Welt. Auch hätte er Steinritzungen gefunden, die vielleicht die älteste Schrift der Welt seien.
Den Anstoß zur Durchführung von Grabungen erhielt Osmanagic anläßlich einer Besichtigung von Überresten einer mittelalterlichen Königsfeste auf einem der bereits im Volksmund als „Pyramiden“ bezeichneten Berge während eines Heimatbesuches.
Der Direktor des örtlichen Museums von Visoko, mit dem der seit vielen Jahren Pyramiden-Forschungen in Südamerika durchführende Exil-Bosnier anläßlich einer Promotionstour für sein neues Buch zusammentraf, wies ihn auf die ungewöhnliche Form der Berge hin. Und tatsächlich vermeinte Osmanagic bereits nach ersten Nachforschungen auf eine archäologische Sensation gestoßen zu sein.
Daß diese Ansicht - zumal von einem Nichtfachmann geäußert - auf wenig Begeisterung in der etablierten Archäologenzunft stoßen konnte, liegt auf der Hand. Ohne selbst vor Ort gewesen zu sein, urteilten die zitierten Archäologen, daß es sich lediglich um einen Pomotiongag der Tourismusbehörde handeln könne - nur einige wenige Stimmen verwiesen auf tatsächlich existierende Bauten jedoch aus antiker illyrischer bzw. mittelalterlicher Zeit.  
Bei den vorgeblichen Pyramiden in Visoko handelt es sich um drei Hügel, die genau triangelförmig in einem Radius von 2,2 Km stehen und bereits äußerlich an Pyramiden erinnern. Der größte der Hügel, nach Osmanagic die „Sonnen-Pyramide“, hat eine Höhe von  220 Metern, eine weitere, die sogenannte „Mondpyramide“, mißt 190 m und die dritte, die Drachenpyramide, ist mit immer noch 170 m Höhe größer als die ägyptische Cheops-Pyramide mit 146 m Höhe.
Nach Osmanagic sollen die stufenförmig angelegten Pyramiden bereits zwischen 27 000 und 12 000 v.u.Zt. von einem Volk der „Prä-Illyrer“ errichtet worden sein. Diese Angaben sorgen natürlich nicht nur bei Archäologen für ein ungutes Gefühl, denn zu sehr scheint es sich dabei um rein spekulative Angaben zu handeln, die auf eine gehörige Portion Lokalpatriotismus des Forschers schließen lassen. Wer genau diese Prä-illyrer waren, dazu schweigt sich Osmanagic ebenso aus, wie zur Frage nach den verwendeten Methoden der Datierung. Da Stein nicht datierbar ist und bislang keine organischen Materialien geborgen werden konnten, die mit der Errichtung des Hügels oder der Pyramide in Zusammenhang zu bríngen wären, ist die Datierung natürlich völlig gegenstandslos und lediglich vom Vorsatz geprägt, die Funde medienwirksam als älteste Pyramiden weltweit erscheinen zu lassen.
Dennoch verdienen die Funde größere Aufmerksamkeit:
Mittels Satellitenbildern wurde die genau symmetrische triangelförmige Ausrichtung der Bauwerke bestätigt - ebenso wie während der Grabung im Sommer 2006 zwei Geologen, Dr. Ali Abdallah Berekat der ägyptischen Rohstoff-Behörde, sowie Dr. Amer Smailbegovic, ein bosnischer Geologe, bestätigten, daß es sich bei freigelegtem Gestein um menschlich bearbeitete, mannhohe Sandsteinblöcke handele. Berekat bestätigte sogar, daß es sich um ähnliche Gesteinsarten handele, wie sie in Ägypten beim Pyramidenbau verwendet wurden. Da das Gewicht dieser Blöcke, die nach Osmanagic das Fundament der Stufenpyramide der Sonne bildeten,  zwischen 5 und 30 Tonnen beträgt, müssen die Verwender des Gesteins über bislang unbekannte Methoden verfügt haben,solche Gewichte zu bewegen. Von den hier ansässigen Illyrern ist eine Verwendung derartiger Steine ebenso unbekannt wie von späteren mittelalterlichen Bewohnern, was also in der Tat für eine frühere Zivilisation spricht.
Unter der bislang als einziger erforschten sogenannten Sonnenpyramide wurden auch Eingansstrukturen und dahinter liegende Tunnelgänge entdeckt, die nach Aussage von Minen-Spezialisten einer nahegelegenen Mine Lüftungslöcher sowie mehrere menschlich bearbeitete Sandsteinblöcke enthalten - letztere sollen auch symbolartige Verzierungen aufweisen, obgleich hierzu kein Bildbeweis existiert.  
 Laut Osmanagic legt der bisherige Befund nahe, daß eine antike bosnische Kultur mehrere bestehende Berge mit Hilfe großer Sandsteinblöcke zu  Pyramiden modelliert hat und mit kleineren Steinplatten abdeckte, sodaß der Eindruck einer gewaltigen Pyramide entstand. Unter den freigelegten Steinplatten konnte tatsächlich eine scheinbar künstlich aufgetragene Schotterschicht entdeckt werden, die den Platten Halt geben sollte.
Was diesen Befund bislang trübt, ist der Umstand, daß sich noch kein Archäologe fand, der sich positiv zu den Funden geäußert hätte. Abgesehen von durch Facharchäologen bestätigten, nicht natürlichen Gesteinsanordnungen, gibt es keine hinreichenden Indizien für tatsächliche Pyramiden innerhalb der Hügel. Bislang könnten die Steine auch Reste von Bauwerken antiker oder frühmittelalterlicher Kulturen sein, auch wenn die Größe der Sandsteine dagegen sprechen würde.
Nachdem die Grabungen im Sommer 2006 keine weiteren Beweise für die Theorie erbringen konnten und das Interesse der weltweiten Medien  nahezu verebbt ist, begann am 12. April die zweite Grabungskampaghne, die sich in den ersten Wochen auf die unterirdischen Tunnel unter der Pyramide und entlang des gesamten Tales konzentrieren wird, welche laut Minen-Experten definitiv keine mittelalterlichen Stollen oder natürlichen Gänge sind.
Abzuwarten bleibt, ob die neue Grabung nun den erhofften archäologischen Durchbruch bringen wird.
Doch auch wenn sich hier keine Pyramiden bestätigen lassen,  sollte dieser vermeintliche Fehlschlag nicht dazu führen, archäologische Laienprojekte die Frühgeschichte betreffend zu verurteilen - denn gerade den Laienforschern verdankt die Archäologie einige der bedeutendsten Funde, wie das Beispiel Schliemann oder auch die Himmelsscheibe von Nebra zeigt.  
Letzteres sollte eher die zuständigen Stellen der Denkmalbehörden mahnen, Laien und Interessierte an Grabungen zu beteiligen und sich nicht gegenüber der Außenwelt abzuschirmen.
Die Archäologie könnte nämlich gerade durch die Einbindung von Nichtfachleuten als  Vermittler der lebendigen Vergangenheit der eigenen Ahnen auftreten, wodurch Grabungen, erbrächten sie auch nur die kleinste Tonscherbe, zumindest pädagogischen Nutzen hätten.
Unter diesem Gesichtspunkt wären Grabungen an weiteren Standorten unbedingt zu empfehlen, wie etwa im italienischen Montevecchia, ungefähr 40 Kilometer entfernt von Mailand, wo bei Luftaufnahmen ebenfalls drei äußerst „verdächtige Objekte“ entdeckt wurden. Die Hügel weisen eine ganz ähnlich Form auf wie die in Bosnien. Denn das derart auffallende, wenn auch natürliche Hügel, ein Anziehungspunkt für spätere Kulturen sein könnten, wird durch die Grabungen und Funde auch in Visoko bewiesen.              *

Dennis Krüger

 

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