Trojaburg
 
 

Fuhren die Minoer bis in die Nordsee?

Dem vorliegenden Beitrag Professor Hans Peter Duerrs liegt eine Kontroverse über die Einordnung von Funden aus dem norddeutschen Wattenmeer zugrunde, die bereits in Trojaburg 1/2007 aufgegriffen wurde. In der Ausgabe 49/2006 der Zeitschrift „Der Spiegel“ wurden Funde erwähnt, die von Prof. Duerr und seinem Forschungsteam im Rahmen der Forschung zur versunkenen Stadt Rungholt geborgen wurden. Nachdem der dortige Artikel die Funde relativ wohlwollend beschrieb, folgte in der Zeitschrift „Abenteuer Archäologie“ 5/2007 eine Erwähnung der Funde („Handelswege zur See“), auf die Prof. Duerr mit folgender, uns freundlicherweise zum Abdruck zugesandter, Erwiderung reagierte:   

Daß Wissenschaftler nicht nur der Aufgabe nachgehen, Erkenntnisse zu fördern, sondern auch der, von Erkenntnissen abzulenken, ist eine aus der Wissenssoziologie bekannte Tatsache. Ein schönes Beispiel dafür liefert der Heidelberger Archäologe Sebastian Zoeller, wenn er in der letzten Nummer der Zeitschrift „Abenteuer Archäologie“ (5/2007) aus der hohlen Hand heraus behauptet, bei unseren minoischen Objekten aus dem nordfriesischen Rungholtwatt handele es sich „um Einzelfunde“, die zudem unter „unklaren Fundumständen“ gemacht worden seien, weshalb ihre „Aussagekraft begrenzt“ sei.

Wie der Autor des Artikels bei einer Lektüre meines vor zwei Jahren im Frankfurter Insel-Verlag erschienenen Buches „Rungholt: Die Suche nach einer versunkenen Stadt“ mühelos hätte feststellen können, sind die Fundumstände keineswegs „unklar“, sondern für einen unvoreingenommenen Beobachter durchweg nachvollziehbar. Außerdem haben inzwischen die Wissenschaftsredaktionen des „Spiegel“ und der ARD meine ehemaligen Mitarbeiter und Studenten, die an der Grabung beteiligt waren, befragt: Sämtliche Zeugen haben die Richtigkeit meiner Darstellung der Grabungsumstände bestätigt. Und was soll schließlich die seltsame Aussage, ein „Einzelfund“ habe nur eine „begrenzte Aussagekraft“ ? Ötzi, das Uluburun-Wrack oder die Nebrascheibe sind ausgesprochene „Einzelfunde“. Sind sie deshalb weniger aussagekräftig als Funde, die jeden gemacht werden?
Überdies behauptet der Autor, unsere Objekte seinen, falls sie wirklich aus Kreta stammten und „in jener Zeit nach Mitteleuropa gelangt“ wären, „wohl bestenfalls über Zwischenhändler“ dorthin gelangt. Daß es sich um minoische und südkanaanitische Keramik, um ein minoisches Siegel mit einer Linear-A-Inschrift sowie um Weihrauch und Koniferen-Kopal (wohl aus Somali-Land bzw. von der Levante oder aus Südost-Afrika) handelt, ist mittlerweile durch Neutronenaktivierungsanalysen, C-14 Altersbestimmungen, chemische und petrographische Untersuchungen im In- und Ausland unzweifelhaft. Und daß die Funde nicht in späterer Zeit an ihren Fundort gebracht worden sein können, ergibt sich daraus, daß wir sie unterhalb einer ungestörten, ab dem 13. Jahrhundert entstandenen Torfschicht entdeckt haben, die das Ensemble gewissermaßen versiegelte. Zudem kann dieses kaum, wie der Autor mutmaßt, durch zahlreiche „Zwischenhändler“ in den Norden gebracht worden sein. Denn welche „Händler“ hätten ein Interesse daran haben können, wertlose unverzierte Haushaltsware, wie die monochromen Näpfe (Skyphoi), die zu unseren Funden gehörten, bis ans Ende der damaligen Welt zu transportieren?

Prof. Dr. Hans Peter Duerr, Heidelberg   *            *

 

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